Wunsch und Wirklichkeit – Vom langsamen Anlauf der Elektromobilität

Wunsch und Wirklichkeit – Vom langsamen Anlauf der Elektromobilität. Die Zeit drängt: In weniger als drei Jahren sollen laut Bundesregierung in Deutschland eine Million Elektroautos fahren. Doch die Kaufprämie ist weitgehend wirkungslos verpufft und auch der beliebteste Pkw konnte es bisher nicht richten. Die Strom-Varianten des VW Golf elektrisieren die Kunden nur mäßig. Hat die geliftete Version bessere Chancen?

Auch wenn er europaweit auf Platz zwei abgerutscht ist, war der Golf mit fast 236.000 Neuzulassungen im vergangenen Jahr wieder mal das bestverkaufte Auto hierzulande. In den meisten Fällen war der Wagen silbergrau lackiert, hatte 110 PS und eine Handschaltung für das Getriebe. Rund 60 von 100 Fahrzeugen hatten einen Dieselmotor, womit der Anteil der Selbstzünder im Abwärtstrend liegt. Diese Entwicklung schreiben Experten den Motoren-Manipulationen zu, die den Hersteller schon viel Geld und Reputation gekostet haben.

Offiziellen Angaben zufolge liegt der Anteil von Golf-Modellen mit Hybrid- und Elektroantrieb „unter fünf Prozent“. Das ist die Standardantwort von Herstellern, wenn Autos nur in homöopathischen Dosen nachgefragt werden. Tatsächlich sieht es so aus: Von den rund 52.600 im ersten Quartal 2017 in Deutschland neu zugelassenen VW Golf tragen 92 den Schriftzug „GTE“, werden also von einer Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotor angetrieben. Der e-Golf, also das Auto mit reinem Batterieantrieb, wurde ganze 95-mal neu in den Verkehr gebracht. Zum Vergleich: Renault gelang es, sein Elektroauto Zoe fast 1.200-mal in die Statistik des Kraftfahrtbundesamts zu bringen, womit der stromernde Franzose der meistverkaufte E-Pkw ist. Doch betrachtet man den Gesamtbestand, ist das Ergebnis ernüchternd: 2016 waren nur 0,3 Prozent der insgesamt rund 44 Millionen Pkw in Deutschland Elektro- oder Hybrid-Fahrzeuge.

Volkswagen Golf GTE (l.) und E-Golf

 

Dabei hat sich Volkswagen redlich bemüht, den Golf-Strom anschwellen zu lassen. Mit dem Update des Modells im Frühjahr kommt eine neue Batterie zum Einsatz, die auf gleichem Bauraum mit einer höheren Energiedichte operiert und so eine größere Reichweite ermöglicht. Die magische Ziffer „300“, andernorts die Tachomarkierung, die einen Temporausch auslösen kann, ist zum wichtigsten Argument für den Stromer unter den „Gölfen“ geworden. Stolze 300 Kilometer Reichweite gibt der Hersteller jetzt als offiziellen Wert für den elektrifizierten Kompaktwagen an. Zumindest unter idealen Bedingungen.

Mit der Kapazitätssteigerung um 11.6 kWh auf 35.8 Kilowattstunden stieg nicht nur die Leistungsausbeute auf 136 PS, sondern auch das Gewicht des Akkus. Es liegt jetzt bei 345 Kilogramm. Das ist etwas mehr als ein Fünftel des gesamten Fahrzeuggewichts. Ob je ein Kunde mit einer Batterieladung – die an der Schnell-Ladesäule in 45 Minuten 80 Prozent Füllstand ermöglichen soll – tatsächlich 300 Kilometer weit kommt, muss die Praxis erweisen, denn der angegebene Aktionsradius wurde nach der Elektrovariante der EU-Norm auf dem Prüfstand erfasst, also mit dem Verfahren, das bei konventionell betriebenen Autos zu in der Praxis unerreichbar günstigen Werten führt.

Volkswagen E-Golf

Die Verlautbarungen zur Präsentation des neuen e-Golfs klangen denn auch etwas zurückhaltender. Sie sprachen für eine Langzeitnutzung unter verschiedenen Anforderungs- und Klimabedingungen von „durchschnittlich 200 Kilometern im relevanten Kundenbetrieb“. Wie nah die Versprechen an der Wirklichkeit sind, lässt sich auf einer einzelnen Probefahrt kaum ermitteln. Nach knapp 100 Testkilometern auf der Landstraße mit zwei Personen und Gepäck zeigte das Ladeinstrument immerhin noch gut ein Drittel Füllstand. Zu sorglosem Umgang mit dem wertvollen Stromvorrat verleitet der e-Golf ohnehin nicht: Die Höchstgeschwindigkeit ist auf 150 km/h limitiert.

Der enorme Klotz, der dem e-Golf da zwischen den Achsen liegt und die Gesamtmasse des Fünftürers auf mehr als 1.600 Kilogramm schraubt, macht ihn überraschender Weise aber nicht behäbig. Stattdessen lässt er ihn mit satter Bodenhaftung und souverän griffig die Kehren nehmen. Die Gründe liegen in dem durchaus deftigen Drehmoment von 290 Newtonmetern, mit denen der Kompakt-Elektriker zu Werke geht und in dem tiefen Fahrzeugschwerpunkt, den der Einbauort der Batterie mit sich bringt. Gegenüber einem konventionell angetriebenen Golf mit 1.4 Liter-TSI-Motor liegt das Zentrum der Gravitation beim E-Golf um fast sieben Zentimeter näher an der Fahrbahn.

Volkswagen Golf GTE

Was also hemmt die Nachfrage? Gern wird das noch immer löchrige Netz an Ladesäulen genannt, das längere Fahrten zu einem Vabanque-Spiel machen kann. Am sichersten sind noch Berufspendler unterwegs, die am Arbeitsplatz eine Steckdose für ihr E-Auto nutzen und auch zuhause für ausreichenden Füllstand sorgen können. Noch bedeutsamer als die Reichweiten-Angst dürften aber die hohen Anschaffungskosten sein. Zwar sind die Preise für die heute gebräuchlichen Lithiumionen-Akkus in den vergangenen Jahren gefallen, doch bei derzeit rund 150 US-Dollar je Kilowattstunde Kapazität machen sie immer noch einen erheblichen Anteil der Gesamt-Herstellkosten des Fahrzeugs aus. Rund 5.000 Euro sind im Falle eines e-Golfs zu veranschlagen.

Wie andere Hersteller auch, versucht Volkswagen den Hybrid- und den e-Golf mit einer höherwertigen Ausstattung als die Basismodelle attraktiv zu machen. Doch die Preisunterschiede bleiben immens. Während der 110-PS-Massen-Golf schon für 19.625 Euro zu haben ist und das Diesel-Pendant (mit 115 PS) 22.200 Euro kostet, sind für den e-Golf 35.900 Euro zu berappen (Preise Deutschland). Ein saftiger Öko-Aufschlag.

Sauber fahren und zahlen oder beim guten alten Verbrenner bleiben? Eine weitgehend unentdeckte Alternative ist der Golf mit dem Kürzel TGI geblieben. Erdgas als Treibstoff hat eine höhere Energiedichte als Benzin, verbrennt sauberer und es gibt deutlich mehr Gastankstellen als Ladesäulen.

ab/amp

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