Gut gemacht, Mr. Riches

Auf die Idee muss erst mal einer kommen: 1963 sollten 18 Exemplare des Jaguar E-Type gebaut werden, die auf den Rennstrecken der Welt mit dem Ferrari GTO 250 mithalten konnten. Gebaut wurden aber nur zwölf. Danach stellte Jaguar das Programm ein. Der Erfolg des Jaguar E-Type forderte alle Kapazitäten. Da blieb für Rennpläne keine Zeit. Die wurden jetzt wiederbelebt: Jaguar Heritage, ein Unterbereich der neuen Special Operations von Jaguar Land Rover, baut jetzt die fehlenden sechs mit den Fahrgestellnummern 13 bis 18. Nachrücklicher lässt sich die Aufgabe von Jaguar Heritage kaum beschreiben. Der Bereich sitzt nicht umsonst mitten im Stammsitz von Jaguar an der Browns Lane im englischen Coventry. Er soll sich um Oldtimer kümmern, die zur Restaurierung anstehen. Er kann aber auch solche anspruchsvollen Projekte wie den originalgetreuen Nachbau eines Klassikers abwickeln. Heritage ist damit eines von drei Standbeinen der Special Vehicle Operations, die sich auch um die Personalisierung von Serienprodukten und um Zubehör kümmert, immerhin mit insgesamt rund 900 Mitarbeitern, 250 davon Ingenieure und Designer. Der E-Type Lightweight-Nachbau ist der Job von Kev Riches und seinen zwölf Mitarbeitern. Riches arbeitet seit 41 Jahren bei Jaguar und sein Vater war bei der Entwicklung des E-Typs, der 1961 in Genf seine Premiere erlebte, verantwortlich für die Konstruktion des Dachs. Es liegt also in der Familie. Wer Kev Riches nach seinem Hobby fragt, der bekommt zur Antwort: „Aufbau eines E-Types“. Bis Ende des Jahres kann er seinem Hobby noch intensiv frönen. Vorher wird die Nummer 18 nicht aus seiner Werkstatt rollen. Bis dahin werden er und seine Mannen unter dem Einsatz modernster Technik die Vergangenheit auferstehen lassen – zu einem Stückpreis von einer Million britischer Pfund, rund 1,4 Millionen Euro. Vater Riches wäre sicher erstaunt gewesen, wie gut die Qualität der neuen Alten ausfällt. Das Ergebnis konnte sich schon beim ersten Prototyp sehen lassen, der im vergangenen Jahr in poliertem Alu beim Concours d’Elegance in Pebble Beach glänzte. Kev Riches kann seinen Stolz kaum verbergen, als er vor einem Lightweight steht und von seiner Arbeit berichtet. Es gefällt ihm spürbar, heute bei E-Type eine bessere Arbeit abgeliefert – „ much better“ – zu haben als die Vätergeneration bei der Serienfertigung in den 60-ger Jahren. Als Bespiel nennt er die Rückleuchten. Die vom alten Hersteller habe man nicht verwenden können – zu wenig passgenau. „Wir haben beim Lightweight nach modernen Standards gearbeitet“, sagt Riches. Hätten das seine Kollegen in der 60-gern und 70-ger Jahren auch getan, wären Jaguar vielleicht die späteren schweren Zeiten erspart geblieben. Aber damals hatten sie auch nicht zehn bis zwölf Wochen Zeit für ein Exemplar des E-Type. Der in seiner kurzen Motorsportkarriere von berühmten Fahrern pilotierte E-Type Lightweight genießt unter Sammlern und Liebhabern einen legendären Ruf. Der Wert von Original-Exemplaren geht mittlerweile in die Millionen. So werden die sechs ausgewählten Kunden eines der seltensten Objekte der Automobilgeschichte erwerben – als brandneuen Lightweight E-TYPE, von Hand gefertigt in Browns Lane und begehrenswert wie das Originale. Die Kernkomponente des Lightweight ist seine Aluminium-Karosserie. Das Leichtmetall ersetzt den Stahl des Standard E-Type. 114 Kilogramm konnte Jaguar so einsparen. Mittels Scan-Technologie wurden für den Nachbau die inneren und äußeren Oberflächen der Leichtbau-Karosserie digital abgebildet. Die daraus resultierende detaillierte Abtastung erfasst die Dimensionen und Formen auf den Bruchteil eines Millimeters genau. Die für den Unterbau und die Oberflächenbleche verwendeten Aluminium-Legierungen sind in punkto mechanischer Eigenschaften fast identisch mit den 1963 verwendeten Werkstoffen. Genau genommen entspricht die Struktur dem letzten 1963 gebauten Chassis Nummer 12. Das verfügte bereits über einige Verstärkungen in kritischen Bereichen der Karosserie. Der Lightweight wurde von einer hochentwickelten Version des berühmten Reihen-Sechszylinder-XK-Motors von Jaguar angetrieben. Erstmals 1948 im XK 120 eingesetzt, galt er mit seinen per Kette angetriebenen oberen Nockenwellen und halbkugelförmigen Brennkammern im Aluminium-Zylinderkopf auch 1963 noch als hochmodern. Das Triebwerk des Lightweight basierte direkt auf jenem 3868 ccm großen Aggregat, mit dem 1957 ein D-Type bisher letztmals für Jaguar die "24 Stunden" gewann. Die Gemischaufbereitung besorgen beim modernen Nachbau des E-Type Lightweight drei Weber Doppelvergaser des Typs 45DCO3. Gegen Aufpreis bietet Jaguar aber auch die auch im "Car Zero" installierte mechanische Lucas-Einspritzung an. Egal ob nun per Vergaser oder Einspritzung versorgt – die Leistung des XK-Motor liegt in beiden Fällen bei weit über 300 PS. Das maximale Drehmoment von 380 Nm wird bei 4500 Umdrehungen pro Minute abgerufen. Die Motorkraft gelangt über das auch in den historischen Fahrzeugen verwendete Jaguar Vier-Gang-Getriebe an die Hinterräder. Es wird in Verbindung mit einem Sperrdifferential und einer Achsantriebsübersetzung von 3,31 ausgeliefert. Auch das Fahrwerk bleibt dem Original treu. Vorderachse an doppelten Querlenkern und eine hintere Einzelradaufhängung mit weit ausgreifenden Dreieckslenkern, bei der die Antriebswellen als obere Querlenker fungieren. Auf Motorsporteinsätze ausgelegte Stoßdämpfer wirken auf die vorderen Drehstabfedern und gleich vier Schraubenfedern (zwei pro Seite) an der Hinterachse. Bei der Lenkung griff Jaguar auf die Zahnstangen-Konstruktion des E-Type zurück; komplettiert um ein für jene Ära stilbildendes Lenkrad mit Holzkranz einem hochwertigen Logo in der Mitte mit 24-karätigem Gold. Die 15-Zoll-Felgen präsentieren sich im zeitgenössischen, "perforierten" Design und sind wie die Originale aus Magnesium gegossen. Die Felgenbreite beträgt sieben Zoll für die Vorder- und acht Zoll für die Hinterachse. Darauf aufgezogen sind Dunlop Rennreifen der Größen 6.00 (vorn) und 6.50 (hinten), jeweils in der Mischung CR65. Die Endmontage läuft in einem Bereich der neuen Werkstatt ab, der nur wenige hundert Meter von jenem Ort entfernt ist, an dem 1963 die bislang zwölf Original-Modelle gebaut wurden. Ausgeführt wird die Arbeit von hochqualifizierten Technikern und Handwerken, die sonst damit beschäftigt sind, selbst extrem komplexe Jaguar Land Rover Prototypen zusammenzubauen. Wir erlebten den Jaguar E-Type Lightweight jetzt im Umfeld des Oldtimer Grand Prixs auf dem Nürburgring zusammen mit Kev Riches und seinen Chefs. Das Auto in einem strahlenden Grau außen und spartanisch innen. Bis auf schlichte Türverkleidungen innen nur Alu und außen nur eine dünne Lackschicht, erzählt uns Riches. Alles fürs Gewicht. Wir bewundern diese perfekte Replica und gönnen ihr die Nähe zu den – noch – teureren Klassikern auf dem Ring. Well done, Mr. Riches.