Hochsaison für einen positiven Blick auf die Elektromobilität

Ist sie die Elektromobilität wirklich die alleinige Mobilitätslösung der Zukunft? An der Antwort auf diese Frage kommt heute niemand mehr vorbei. Spätestens bei der Entscheidung fürs nächste Auto wird ein klares Bekenntnis fällig. Die steigenden Absatzzahlen von E-Autos scheinen auf einen Siegeszug der Elektromobilität hinzudeuten. Doch die Politik will mehr: nur noch voll batterieelektrische Autos und das bis 2030.

Audi e-tron 55 quattro beim am – automagazin -Referenztest 
Ionity in Österreich – 396 Standorte mit 1.888 Ladepunkten

Laut einer DAT-Studie setzen sich jetzt aber nur mehr rund 39 Prozent der potenziellen Kunden vor dem Autokauf mit dem Thema Elektromobilität auseinander. Das sind zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Auch die Unternehmensberatung Deloitte fand heraus, nur noch 41 Prozent der Fahrzeughalter würden beim nächsten Autokauf für den Elektroantrieb entscheiden, während es 2019 noch mehr als die Hälfte der Verbraucher waren – viel zu wenig also für die ehrgeizigen Ziele.

Olaf Liu vom Online-Marktplatz für Neu- und Gebrauchtwagen „YesAuto“, hat es zum Anlass genommen, jetzt gegen die allgemeine Unsicherheit und mangelnde Information anzuarbeiten. Er sieht Aufklärungsbedarf: „Im Bereich E-Mobilität gibt es noch viele Vorurteile und Missverständnisse“, so Liu. „Das ist uns bewusst, aber bei der Einführung neuer Technologien ist eine anfängliche Skepsis ganz normal.“ Umso wichtiger sei es, Vorurteile aus der Welt zu schaffen. Ein gut gemeinter Vorsatz. Wir folgen Olaf Liu durch seine schöne Elektro-Welt und schauen dabei auf das gesamte Bild.

Umweltprämie und geringere Betriebskosten

Das Interesse an batterieelektrischen E-Autos erklären Marktforscher mit der Förderung durch die deutsche Regierung. In der Tat gelang in keinem Land der Durchbruch der E-Mobilität ohne erhebliche Kaufprämien oder Incentives. Ohne attraktive Zuschüsse zum Kauf und zum Betrieb oder bewusste Benachteiligungen anderer Antriebe ist bisher nirgendwo ein Durchbruch gelungen. Mit dem Kaufpreis sinkt die Hemmschwelle. Außerdem sind Werkstattaufenthalte für Batterieelektriker deutlich günstiger.

Verstärkend wirkt, dass das Vollladen mit Ökostrom ungefähr die Hälfte kostet im Vergleich zum Volltanken mit Benzin. Allerdings ist die erzielbare Reichweite beim E-Auto auch nur halb so hoch. Außerdem wird es noch bis mindestens 2030 dauern, bis aus jeder Steckdose wirklich Ökostrom aus erneuerbaren Energien kommt – wenn bis dahin Kohlekraftwerke wirklich abgeschaltet sind und Wind oder Sonne die Energieversorgung übernommen haben. Erst dann wird der volle Effekt des Elektroautos aufs Klima wirksam.
In der Summe und betriebswirtschaftlich betrachtet ist der Kauf eines Elektroauto also eine wirksame Maßnahme zur Senkung der Kosten der persönlichen Mobilität mit einem Auto.

Das Ladenetzwerk wächst kontinuierlich

Der schleppende Ausbau von Ladestationen ist ein weiteres Argument, das potenzielle Interessenten noch zweifeln lässt. Deshalb  wird es noch lange dauern, bis Großstädter abends daheim verlässlich eine öffentlich zugängliche Ladestation finden werden. Da die Kabeltrommel keine Lösung darstellt, sind die Besitzer von ober- oder unterirdischen Parkgaragen ebenso gefordert wie die Arbeitgeber. Wohl dem, der eine Wallbox sein Eigen nennt. Mit denen funktioniert das „Tanken“ schneller als beim Benziner oder Diesel: abends Stecker rein, morgens Stecker wieder raus – macht weniger als eine Minute bis zum vollen „Tank“.

Die Langstrecke wird für das E-Auto aber noch lange eine Herausforderung darstellen. Glücklicherweise lassen sich immer mehr Autos schnellladen und die jeweils nächste Generation der Batterien gestattet auch eine größere Reichweite. Bei längeren Fahrten gilt es  eine Ladeplanung anzulegen. Nicht so bei Distanzen unter 200 Kilometern. Aber noch gibt es auch E-Autos, für die gerade im Winter eine Strecke von 200 km zu lang sein kann.

Auf der Suche nach Alternativen zu Lithium

Und nicht zuletzt bringt Liu das Thema Nachhaltigkeit. Null Emissionen beim Fahren stehen den für die Akkus benötigten Rohstoffen gegenüber. Weltweit sind rund 1,4 Milliarden Autos mit Verbrennungsmotor in Betrieb. Mit dem gesamten abbaubaren Lithium der Welt könnten etwa eine halbe Milliarde E-Autos gebaut werden. Doch das ist nicht der Plan, meint Liu. Da es sich bei Lithium um eine Ressource handele, die geschützt werden soll, sei die Branche bereits mit der Entwicklung von Alternativen beschäftigt. So gesehen bei Stellantis, wo die Feststoffzellenbatterie bereits auf Schiene ist.

Zurzeit gilt deswegen für E-Autos, dass das darin verwendete Lithium im Gegensatz zu Benzin recycelbar und damit nachhaltiger ist, wenn wir es erst einmal in der Hand haben. Aber die Bedingungen, unter denen es zum Bespiel in Chile oder China gewonnen wird, sind in unserem Sinne ganz gewiss nicht nachhaltig.

Zunächst wird es den Batteriechemikern darum gehen, die sogenannten seltenen Materialien  aus den Batterien zu verbannen. Denn auch deren Gewinnung entspricht nicht unseren Wertvorstellungen bei Menschenrechten, Arbeitsbedingungen oder Umweltschutz. Lithium und die Batterietechnologien der Zukunft zusammen können zwar unsere teure Abhängigkeit vom Öl beenden, ersetzt sie aber durch neue Abhängigkeiten mit Risiken, wie wir sie gerade erleben: Rohstoffknappheit als Folge der Pandemie. China hat es in der Hand, sie als politisches Druckmittel einzusetzen. Das batterieelektrische Auto hat also auch geostrategische Konsequenzen.