Porsche 911 GTS

Binnen drei Jahren ist die Baureihe 991 im Hause Porsche zur Großfamilie geworden. Schon 15 Sprösslinge sind dem aktuellen „Elfer“ bislang nachgefolgt. Am Rande der Los Angeles Auto Show und mitten im zweiten Heimatland der Marke präsentierte Porsche nun die Varianten 16 bis 19 – mit dem Label „GTS“.

Wer naiv genug dazu ist, kann es für Zufall halten: Exakt zum gleichen Zeitpunkt, da Porsche seinen GTS auspackt, überlässt Mercedes-Benz seinen erklärten 911er-Herausforderer den Autotestern aus aller Welt – und das nur wenige Kilometer entfernt. Auch wenn die Vergleichstests erst noch ausstehen, ist klar: Hier stoßen nicht nur zwei Welten, sondern auch zwei Philosophien aufeinander. Mercedes greift an, Porsche verteidigt mit Souveränität und Erfahrung. Und die 32 PS, die dem GTS gegenüber dem neuen Konkurrenten fehlen, macht er durch rund 150 Kilogramm Mindergewicht wieder wett.

Wie kein zweiter Hersteller hat Porsche das System der Diversifizierung einer Baureihe zur Meisterschaft verfeinert. Beim Vorgängermodell, der Baureihe 997, waren es am Ende 23 verschiedene Varianten, aus denen die Kunden wählen konnten. Keine davon war ein Sonderangebot, doch das ausgeklügelte Spiel von Bedarfsweckung und Bedarfsdeckung funktionierte immer wieder. So wird das auch beim GTS sein, den es als Coupé und Cabrio sowohl mit Heck- als auch mit Allradantrieb gibt.

Nach der Lücke, die den Bedarf definiert, mussten die Verantwortlichen bei Porsche nicht lange suchen. Zwischen dem 294 kW/400 PS starken Carrera S und dem 350 kW/475 PS leistenden GT3 fand sich genug Platz für das einerseits mit mehr Pferdestärken, andererseits mit mehr Ausstattung antretende Auto. Zusätzlich zu dem nun 316 kW/430 PS abgebenden 3.8 Liter-Boxermotor gehören das Sport-Chrono-Paket und das aktive Dämpfersystem PASM zum Lieferumfang. Ferner wird auch für die sonst kostenpflichtigen Extras wie Sportabgasanlage und Bi-Xenon-Scheinwerfer kein Aufpreis verlangt.

Das Fahrwerk ist um zehn Millimeter tiefer gelegt als beim Standard-911er. Auch wer sich für den heckgetriebenen GTS entscheidet, bekommt Allrad-Optik geliefert. Alle Modelle verfügen über die kräftig ausgestellten Radhäuser an der Hinterachse und eine um 36 Millimeter verbreiterte Spur, wie sie bei den Carrera-4-Modellen Standard ist. Schließlich gehören noch 20 Zoll große Leichtmetallfelgen in glänzend schwarzer Lackierung zur Grundausstattung des GTS, die mit einem Zentralverschluss am Radträger befestigt sind. Dieses aus dem Motorsport entlehnte Detail war serienmäßig bislang ausschließlich dem 911 Turbo S vorbehalten.

Beim 911er ist, was die Umsetzung der Motorkraft in Vortrieb angeht, die Ausnahme zum Normalfall geworden. Mehr als 85 Prozent der Kunden bestellen statt der siebengängigen Handschaltung das PDK-Doppelkupplungsgetriebe, für das sogar Lieferschwierigkeiten seitens des Herstellers ZF in Kauf genommen werden mussten, um die große Nachfrage zu befriedigen. Die USA sind mittlerweile der einzige Markt, wo proportional zum Gesamtvolumen mehr Handschaltungen verkauft werden als anderswo. An den Vorzügen des PDK ändert das nichts. Niemand braucht mehr Knie und Waden zu quälen, wenn man mit dem Elfer mal in stockendem Verkehr steht. Mit optimierten Schaltzeiten sowie der Option, bei scharfer Verzögerung auch mal selbstständig zwei Stufen herunterzuschalten, portioniert es die Motorkraft besser als die meisten Fahrer es könnten.

Ein gern in Kauf genommener Nebeneffekt ist, dass mit PDK auch günstigere Verbrauchswerte erzielt werden können. Quer durch die unterschiedlichen Karosserieformen und Antriebsvarianten betragen die Unterschiede zwischen den handgeschalteten und dem automatischen Ausführungen im Schnitt 0.8 Liter je 100 km. Nach NEFZ-Norm gemessen verbraucht der Carrera GTS 8.7 Liter je 100 Kilometer, das Carrera 4 GTS Cabriolet derer 9.2. Wenn, wie im Falle dieser Testfahrten, Hochdrehzahl-Runden auf einem Wüsten-Rennkurs gedreht werden, ist allerdings mit Werten zwischen zwölf und 18 Litern zu rechnen.

An den grundsätzlichen Tugenden des Elfers – unmittelbare Rückmeldung, präzises Einlenken, sicheres Fahrgefühl auch am Grenzbereich – haben die drei neuen Buchstaben am Heck natürlich nichts geändert. Einen Elfer mit winzigen Lenkradbewegungen flüssig und zügig durch geschwungene Bergpisten zu dirigieren, gehört zum Besten, was das Autofahren zu bieten hat. Der limitierende Faktor ist häufiger das Finanzielle als die physikalischen Grenzen von Querbeschleunigung und Bodenhaftung.

Axel F. Busse/amp

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