Skoda Octavia RS 230

Skoda hat einen Lauf. Die VW-Tochter aus Tschechien wächst im 120. Jahr der Fahrzeugproduktion ungebremst (in den ersten sieben Monaten des Jahres um 15 Prozent) und erneuert und ergänzt seine Fahrzeugpalette im gefühlten Wochenrhythmus. Nun erfolgte die Premiere des Octavia RS 230. Das sportliche Topmodell der Mittklasse ergänzt den angestammten RS mit einer 230 PS starken Topvariante.  

Längst hat sich die sportliche Limousine zum GTI der Mittelklasse gemausert. Seit dem erste Octavia RS von 2000 hat Skoda 163.000 Exemplare verkauft. Um das dynamische Potential des schnellsten Skodas aller Zeiten bis in den Grenzbereich hinein auszuloten, bedarf es schon eines Abstechers an die Renntrecke. Die RS-Modelle des Octavia bilden beileibe keine exotische Erscheinung innerhalb der Baureihe. Rund jeder zehnte Octavia trägt das sportliche Kürzel am Heck. Das Erfolgsrezept setzt sich aus folgenden wichtigen Zutaten zusammen: Die praxisgerechte Karosserieformen als Limousine und Kombi. Dezent gehaltene Zutaten, die den sportlichen Charakter sanft unterstreichen aber nicht aufdringlich exponieren. Dazu eine umfangreiche Ausstattung, fahrdynamische Begabung und ein günstiger Preis.

Auf den ersten Blick scheint der Leistungsvorsprung von zehn PS eher unspektakulär. Die Power reicht aber für einen Spurt im Stand auf Tempo 100 in 6.7 Sekunden. Als erster Skoda überhaupt erreicht der RS 230 eine Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h, die elektronisch abgeregelt ist. Da 230 PS für einen Fronttriebler eine echte Herausforderung darstellen, erhielt der RS 230 exklusiv ein Vorderachs-Differenzial, das mit einer elektronisch geregelten Lamellenkupplung die Kraft zwischen den Achsen theoretisch bis zu 100 Prozent verteilen kann. Und das stufenlos.

Die Hardware der Einheit stammt aus dem VW Golf GTI Performance. Die Entwickler von Skoda passten die Steuerung auf den Octavia an. Der Aufbau der Lamellenkupplung ist mit dem der sogenannten Haldex-Kupplung identisch, die in den meisten Allrad-Modellen des Volkswagenkonzerns die Kraftverteilung zwischen den beiden Achsen regelt. Dank Leistung, seiner Sperre und der elektronisch gesteuerten Lenkung verfügt der Octavia RS 230 über ein dynamisches Potential, dessen Grenzbereich sich im normalen Straßenverkehr nicht mehr ausloten lässt. Dafür muss es schon auf eine Rennstrecke wie den 5,9 Kilometer langen Slovakia-Ring gehen, rund 40 Kilometer östlich der slowakischen Hauptstadt Bratislava.

Die optisch wahrnehmbaren Insignien des RS 230 beschränken sich unter anderem auf größere Kühleinlässe in der Front, die schwarz verchromt sind. Am Heck stellt sich ein dezenter Spoiler in den Dienst des optimierten Anpressdrucks auf die Hinterachse bei höheren Geschwindigkeiten. Für die exklusiven, mächtigen 19-Zöller ist ein Aufschlag fällig, die Serie trägt 17-Zöller aus Leichtmetall, die mit Niederquerschnittsreifen vom Format 225/35 bestückt sind. Im Innenraum beschränkt sich das Angebot sportlicher Attribute im Wesentlichen auf hervorragend geschnittene Sportsitze, die elektrisch einstellbar sind und ein dickes Sportlenkrad mit ledernem Bezug, das sich zudem vertikal und in der Tiefe einstellen lässt. Der aufgeladene Vierzylinder mit zwei Liter Hubraum klingt kraftvoll sonor, aber in keinem Bereich des Drehzahlbandes bis 6.200 Umdrehungen pro Minute aufdringlich. Nicht zuletzt das Ergebnis einer ausgeklügelten Gestaltung der Abgasanlage, die erst nach 60 verschiedenen Varianten gefunden war. Da das maximale Drehmoment von 350 Newtonmetern bereits ab 1.500 U/min zur Verfügung steht, kann der RS 230 im Alltag durchaus schaltfaul bewegt werden. Das serienmäßige Sechs-Gang-Schaltgetriebe bietet kurze Schaltwege, der Hebel flutscht kurz und knackig durch die sauber definierte H-Kulisse. Dank der famosen Sperren, bringt der Antrieb die 230 PS zumindest bei Trockenheit in jeder Situation ohne jeden fühlbaren Schlupfverlust auf die Piste.

Mit Hilfe eines Knopfs im Armaturenträger lassen sich vier verschiedene Fahrmodi anwählen, die jeweils eine ganze Zahl von Einstellungen, beispielsweise in den Systemen Motor, Lenkunterstützung, Distanzregelung oder die Sperrwirkung des Differenzials abstimmt. Im sportlichsten RS-Modus beispielsweise arbeitet die Lenkung noch einmal direkter, die Antriebsschlupfregelung ASR ist deaktiviert und der Regelbereich des ESP bis kurz vor den Grenzbereich verschoben. Somit lässt sich der 4.69 Meter lange Fünfsitzer über einen Rennkurs mit einem Vevre treiben, das vor gar nicht langer Zeit jedem reinrassigen Sportwagen höchstes Lob eingetragen hätte. Natürlich ist das tiefer gelegte Fahrwerk deutlich straffer abgestimmt, als bei den bürgerlichen Serienpendants des Octavia und verlangt im Alltagsbetrieb den einen oder anderen Kompromiss, wenn sich die Fahrbahnoberfläche nicht mehr im optimalen Zustand befindet. Aber das nimmt Zielgruppe sicherlich gerne in Kauf.

Abseits der sportlichen Eigenschaften sind beide Varianten des RS 230 im besten Sinne unverändert. Das gute Raumangebot ist ebenso unangetastet, wie die Variabilität und die überdurchschnittliche Ladekapazität des Gepäckabteils, der mit 590 Liter bei der Limousine traditionell einen Spitzenwert innerhalb der Klasse verkörpert. Ob RS oder RS 230, die ausgewogene Mischung aus Alltagstauglichkeit und hohem Leistungs- und fahrdynamischen Potential unterstreicht die Beliebtheit der sportlichen Mittelklasse des tschechischen Herstellers. Das RS-Konzept von Skoda erklärt auch den rasanten Rückgang der klassischen Sportwagen in der Käufergunst. Wenn sich eine Limousine, beziehungsweise ein Kombi, so sicher wie spektakulär bewegen lassen, verliert die herausragende Sportlichkeit eines Zweisitzers gleichermaßen Sinn wie Alleinstellungsmerkmal.

tl/ampnet

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