Trump verunsichert Automobilhersteller in Los Angeles

Trump verunsichert Automobilhersteller in Los Angeles. Kalt erwischt: Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in den USA kam für Konsumenten der etablierten Medien mehr als überraschend. Und es sorgte für Gesprächsstoff im Umfeld der Automesse in Los Angeles, die nur eine Woche nach der Wahl ihre Pforten öffnete.

Kurz vor den Wahlen – die, so glaubte man fest, von Hillary Clinton gewonnen würden – schien der Weg für die Autoindustrie in groben, aber halbwegs überschaubaren Zügen vorgezeichnet. Die skandalumwitterte Umweltbehörde EPA hatte die Zügel fester denn je in der Hand – wild entschlossen, den „Diesel-Skandal“ so aggressiv wie möglich auszunutzen. Natürlich hatte man den Diesel noch nicht abgeschrieben: Mazda und Chevrolet sowie Jaguar und Land Rover bieten entsprechende Modelle jetzt auch in den Vereinigten Staaten an, und die Zahlen bei BMW und Mercedes-Benz sind durchaus erfreulich.

Anders die Situation beim VW Konzern

Doch bei VW, Audi und Porsche gibt es im Moment überhaupt keinen Selbstzünder; ein VW-Manager befürchtete gar, dass man „in den USA nie wieder einen Diesel von VW sehen wird“. Warum? „Die Behörden mögen den Diesel einfach nicht“, so ein Entwickler bei einem Konkurrenzfabrikat ratlos. Nach Trumps Amtsübernahme im Januar könnte es sein, dass die Befindlichkeiten der Umweltbehörde eine deutlich geringere Rolle spielen: Was der neuen Regierung mit der EPA vorschwebt, ist im Detail noch nicht klar, aber es könnte sich im Bereich zwischen Radikalumbau und Abwicklung bewegen.

Und ob Trumps Mannschaft die Begeisterung der bisherigen Regierung für die Elektromobilität teilt, ist zweifelhaft. Das könnte eine schlechte Nachricht für Elon Musk sein, dessen Elektromobile der Marke Tesla in Los Angeles an jeder Ecke stehen. Gut möglich, dass sich die neue Regierung die Quersubventionen etwas genauer anschaut, die Tesla kassiert, weil man angeblich ein Wechselbatterie-Konzept vorhält. Doch die Wechselbatteriestation im kalifornischen Harris Ranch ist Berichten zufolge kaum in Betrieb.

Hiobsbotschaft aus Nevada

Und eine Hiobsbotschaft für die E-Mobilität traf aus dem benachbarten Wüstenstaat Nevada ein: die Arbeiten am Werk des Herstellers Faraday Future sind unterbrochen, weil die chinesischen Eigentümer angeblich Rechnungen in Millionenhöhe unbezahlt ließen. Der Antrieb, Elektroautos in den Markt zu pressen, dürfte aller Voraussicht nach zurückgehen und das passt wiederum zur Messe in Los Angeles, denn bis auf den vollelektrischen Crossover Jaguar I-Pace und den modellgepflegten E-Golf von VW handelt es sich bei den Neuvorstellungen fast durchgehend um konventionell angetriebene Autos.

Druck könnte von einer anderen Seite kommen: Trump hat im Wahlkampf klargemacht, dass er die Verlagerung von Werken ins Ausland verhindern möchte. Die Industrie reagiert bereits hastig: Noch während der Messe ließ Ford verkünden, man stehe im Dialog mit Trumps Mannschaft und dem neugewählten Kongress: „Wir haben gemeinsam mit dem designierten Präsidenten bestätigt, dass – mit seiner Unterstützung – die Produktion des kleinen Lincoln SUV in Louisville, Kentucky, bleiben wird.“ Und Ford lobt, dass Trump und der republikanisch dominierte Kongress „Maßnahmen verfolgen werden, die die Wettbewerbsfähigkeit der USA steigern wird und Produktionskapazität im Lande belässt“.

Mögliche Szenarien auch für Europa relevant?

Für die deutschen Hersteller ist die Lage unübersichtlich: Zwar produzieren VW, BMW und Daimler einige Modelle in den USA, aber auf Importfahrzeuge aus Deutschland könnten in Zukunft höhere Zölle erhoben werden. Und das gleiche könnte für die Modelle gelten, die der VW-Konzern in Mexiko baut – zum Beispiel den Audi Q5. Der wird im nagelneuen Werk San José Chiapa gebaut. Und die erhofften Margen dürften deutlich geringer ausfallen, wenn die USA den NAFTA-Vertrag tatsächlich grundlegend neuverhandeln. Vorgestellt werden sollte dieser SUV übrigens parallel zur Los-Angeles-Messe im benachbarten Santa Monica. Doch kurz vor Veranstaltungsbeginn zog Audi die Einladung zurück; jetzt wird der Q5 in Mexiko gefahren. Grund für den Rückzieher in letzter Minute waren Verzögerungen bei der Zulassung der Testfahrzeuge. Ein bisschen unberechenbar war der US-Markt mit seinen sehr unterschiedlichen Mitspielern und Interessen schon immer. Doch jetzt ist die Unsicherheit größer denn je. Dass die Industrie auf das aktuelle Szenario nicht vorbereitet war, sollte im Hinblick auf mögliche Entwicklungen in Europa zu denken geben.

Jens Meiners