Volvo XC90

Bei Volvo startet in diesen Wochen eine neue Zeitrechnung. Mit dem SUV XC90 beginnen die Schweden die Erneuerung ihres kompletten Produktprogramms. Elf neue Modelle sollen bis 2019 antreten. Der heute neue XC90 wird dann das älteste Modell sein. Doch jetzt geht er als erstes Modell der neuen Zeitrechnung an den Start und zeigt unmissverständlich, wohin die Reise gehen wird – mitten in die Phalanx von BMW X5, Audi Q7, Range Rover und Jeep Grand Cherokee.

Diesen anspruchsvollen Weg gegen die Welt, in der Sechszylinder üblich und Achtzylinder nicht selten sind, treten die Schweden mit einem mutigen technischen Konzept konsequent an: Es wird nur eine skalierbare Produktarchitektur (SCA) für alle Modelle von der 40er-Modellreihe bis hoch zum XC90 geben. Und alle werden von Vier-Zylinder-Motoren angetrieben, von den E-Drive-Motoren, einer Eigenentwicklung, die mit nur einem Motorblock für Diesel und Benziner das gesamte Leistungsspektrum abdecken wird. Im Juni beginnt mit zwei herkömmlichen Antrieben und einem Hybrid, dem Volvo XC90 T8 Twin Engine. Bei den „herkömmlichen“ Antrieben handelt es sich um den Benziner T6 AWD mit 320 PS bei 5.700 U/min und einem Drehmoment von 400 Newtonmeter zwischen 2.200 und 5.400 U/min sowie um den Diesel D5 AWD mit 225 PS bei 4.250 U/min und 470 Nm zwischen 1.750 und 2.500 U/min. Ende des Jahres werden noch der D4 mit 190 PS und der Benziner T5 AWD folgen.

Der Volvo XC90 T8 Twin Engine ist der Plug in-Hybrid. An seiner Vorderachse arbeitet der 320 PS Benziner des T6, an der Hinterachse ein Elektromotor mit 59 kW/80 PS. Da beide getrennt voneinander arbeiten, ergibt sich so eine abrufbare Gesamtleistung von stolzen 400 PS. Damit bewegt er sich in der Riege der stärksten seiner Klasse und lockt mit einem Normverbrauch von 2.5 Litern. Nun erwarte niemand, mit dem mindestens 2.1 Tonnen schweren Hybrid jemals diesen Verbrauchswert jemals erreichen zu können. Denn bei den Plug in-Hybriden erfolgt ein politisch gewollter Abschlag von den Verbrauchswerten. In Abhängigkeit von der rein batterieelektrischen Reichweite – beim Twin Enigine sind das 40 km – werden vom NEFZ-Verbrauch des Verbrenners Prozent abgezogen. Der Normverbrauch des T6-Motors mit 320-PS-Benziner liegt bei acht Litern. Volvo durfte demnach 65 Prozent abziehen. In unserer Praxis auf den Autobahnen, Landstraßen und in den Ortschaften lag der Verbrauch des Plug in etwas oberhalb der acht Liter. Das ist ein Verbrauchswert, der sich deutlich unterhalb des Praxiswerts bei T6 liegt.

Also bekommt man mit dem Plug-in-Hybrid nicht nur die Power und einen respektablen Verbrauch sondern auch das gute Gewissen, einen Plug-in zu fahren, mit dem man im Fahrmodus „Pure“ in der Stadt 40 Kilometer ohne Emissionen zurücklegen kann. Im Hybrid-Modus erzielt man den genannten Verbraucht von rund acht Litern und im Power-Modus lauern die 400 PS darauf, zu zeigen was sie können: 5.9 Sekunden von 0 auf 100 km/h und eine Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h, natürlich mit Leistungs-Zulage. Solche Daten werden sich auch im Gelände beim Offroad-Modus einstellen. Wer sich statt des Stahlfahrwerks für die optionale Luftfeder entscheidet, kann mit deren Hilfe die Bodenfreiheit vergrößern. Wir waren nicht im Gelände, sondern interessierten uns mehr für die Fahreigenschaften auf der Straße. Da hinterlässt der D5 mit seinen 225 PS wahrlich nicht den Eindruck, er sei untermotorisiert: 0 auf 100 km/h in 7.8 Sekunden und 220 km/h Spitze. Da sein Geräusch gut gedämmt ist, scheint es müßig, über seinen Klang zu reden. Er bleibt unauffällig. Das können wir auch für den Plug in-Hybrid sagen. Zwar hat auch Volvo mit dem Klang gespielt, dennoch bleibt das Motorgeräusch im Hintergrund. Wer an dieser Stelle einen Sechszylinder vermisst, will ihn vermissen. Wer sich unvoreingenommen ans kleine Lederlenkrad setzt, findet nicht zu bemängeln an der Acht-Zylinder-Leistung aus vier Zylindern mit 1996 ccm Hubraum und einem Drehmoment von 470 Nm. Das geht gut voran, allerdings in den meisten Fällen getrieben vom Benziner, nur bei Vollgas und im Power-Modus springt der Elektromotor hinten ein. Im Power-Modus gefiel uns das direkter Lenkverhalten, das spontanere Ansprechen von Motor und Acht-Gang-Automatik am besten. Da wird der XC90 agil mit einem Hauch Sportlichkeit. Aber auch in den normaleren Einstellungen bleibt er ein SUV, bei dem sich niemand über einen Mangel an Beweglichkeit und Vortrieb beklagen kann.

Von vorne zeigt der Volvo ein starkes Gesicht mit steil ansteigender hoher Front mit großem Kühlergrill à la Volvo und recht schmale und breiten Scheinwerfern. Bei diesem Volvo braucht es keinen Fußgänger-Airbag, weil zwischen der gewölbten Haube und dem Vierzylinder genug Raum für Verformung bleibt. Die Seitenlinie lässt viel Fensterfläche, so dass die Rundumsicht gut ist, so gut, wie man es sich bei so manchem der Wettbewerber wünsche würde. Das Heck bringt keine Überraschungen.

Die Schweden punkten bei ihrem Großen auch mit dem Innenraum. Sie bieten den XC90 auch als Siebensitzer an, in dessen dritter Sitzreihe Passagiere bis 1,70 Meter Körperlänge noch gut reisen können. Um den Platz zu schaffen, gehört zur neuen Architektur beim Stahlfahrwerk eine Blattfeder an der Hinterachse. Kein Federbein behindert ragt dort in den Raum. So bleibt selbst hinter der dritten Sitzreihe noch Platz für 340 Liter Gepäck. Der Laderaum lässt sich bis zu 1.900 Liter erweitern. Bei der Gestaltung des Innenraums entschied sich Volvo für Leder und Alu oder Holz; alle Bedienelement und-Räder tragen Diamantschliff. Die Zierteile in der Armaturentafel, auf der Mittelkonsole und in den oberen Bereichen der Türen aus einem scheinbar naturbelassenem, offenporigen Wurzelholz, der Armaturenträger präsentiert sich mit Lederbezug, die Umrandungen der Instrumente und Lüfter in Aluminium. Die Gestaltung läuft in einem Bogen von Tür zu Tür, ergibt also einen Eindruck, den andere als Wrap around zu bezeichnen pflegen. Das alles zeigt eine kühle, moderne skandinavische Handschrift: modern und doch ein bisschen distanziert.

Für die Bedienung hat nun auch Volvo ein Konzept unter Verzicht auf Hebel und Knöpfe entwickelt. Ganze acht davon finden sich noch auf einer Leiste in der Mitte der Armaturentafel. Alle anderen Einstellungen geschehen an dem senkrecht stehenden Touch Screen mit 12,3 Zoll Diagonale. Die Daten, die der Fahrer für die Fahrt benötigt, findet er auf einem kleinen Display zwischen den virtuellen Rundinstrumenten in seinem Blickfeld oder im Head-up-Display. Alles Weitere spielt sich auf dem Touchscreen ab, der mit klarem Menü und einer schier endlosen Reihe von Einstellmöglichkeiten jedem Apple-Fan zur Freude gereichen wird.

Volvo wäre aber nicht Volvo, wenn sich an Bord nicht auch noch viele Systeme fänden, die der Sicherheit dienen. So schützt der XC90 seine Insassen mit einer extrem steifen Fahrgastzelle. Beim Überschlag ziehen die Gurte die Passagiere in eine optimale Position und bei Wiederaufprall fangen Elemente in den Sitzen den Stoß ab, ähnlich denen, die beim Auslösen eines Schleudersitzes Rückgratschäden beim Piloten verhindern. Ein weiteres System verhindert, dass der Fahrer beim Linksabbiegen in einen Entgegenkommenden fährt, der er übersehen oder falsch eingeschätzt hat. Das City-Safe-System erkennt Fußgänger und andere „schwächere“ Verkehrsteilnehmer und verhindert den Aufprall. Auch bei einem Aufprall aufs Heck werden die Passagiere in eine sichere Position gezogen. Darüber hinaus kann man ein Sicherheitspaket erwerben, dass dann die Möglichkeiten für Sicherheit und Komfort komplettiert einschließlich eines 360-Grad-Surround-Blicks und natürlich der Ein- und Ausparkassistenten, die bei Ausparken auch vor Querverkehr warnen.

Peter Schwerdtmann/amp

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