VW Polo TGI – Erdgas, die Alternative zum Diesel?

VW Polo TGI – Erdgas, die Alternative zum Diesel? „Wir brauchen den Diesel, um die CO2-Ziele zu erreichen“, hört man gebetsmühlenartig von der Autoindustrie. Stimmt das wirklich? Der VW Polo TGI zeigt, dass sich auch mit einem Ottomotor sauberer fahren lässt – und in der Praxis damit (fast) alle Aufgaben zu erledigen sind.

Vom Saulus zum Paulus? Volkswagen will Vorreiter sein, wenn es gilt, den Ottomotor sauberer zu machen. Nicht nur die Anzahl der verfügbaren Modelle mit Erdgasantrieb will der Konzern deutlich erhöhen, sondern auch gemeinsam mit Partnern für einen Ausbau des Tankstellennetzes sorgen. Bescheidene Erfolge zeichnen sich ab: Den Absatz entsprechender Fahrzeuge konnte VW binnen eines Jahres um mehr als ein Drittel erhöhen. Es gibt also Bewegung, denn für den Treibstoff CNG (= Compressed Natural Gas) sprechen schwerwiegende Argumente: Seine Verbrennung erzeugt nicht nur weniger Kohlendioxid, sondern auch weniger Stickoxide und so gut wie keinen Feinstaub. Die ideale Waffe gegen Fahrverbote?

VW Polo 1.0 TGI

Der modernste Motor aus dem VW-Regal, der Superbenzin und Erdgas verträgt, ist ein Dreizylinder mit einem Liter Hubraum. Außer im Polo wird er neuerdings auch im Seat Ibiza angeboten. Der Antrieb ist bivalent ausgelegt, das bedeutet, der Wagen kann außer mit Erdgas auch mit normalem Sprit gefahren werden. Laut Datenblatt sind es genau 11,6 Kilogramm des Gases, die der Wagen in zwei an der Hinterachse eingebauten Drucktanks mitnehmen kann. Beim Tanken gingen sogar 13 kg hinein. Im Idealfall reicht das für mehr als 300 Kilometer Strecke. Der Benzintank fasst 40 Liter, so dass die Entfernung bis zur nächsten Erdgas-Tanke mühelos überbrückt werden kann.

Das ist das Problem mit den Gas-Autos: Das Tankstellen-Netz ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Auch wenn es Volkswagen und seinen Partnern gelingen sollte, die Gas-Zapfen wie verlautbart in den nächsten Jahren zu verdoppeln, werden Lücken bleiben. Dennoch spricht schon jetzt einiges für Autos wie den Polo TGI.

VW Polo 1.0 TGI

Ein Kleinwagen läuft oft als Zweitfahrzeug, in Flotten wird er von Kurier-, Hausmeister- und Lieferdiensten genutzt, von der Haus- und Krankenpflege sowie von Handwerkern. Deren Fahrprofil ist von Kurzstrecken geprägt, die Jahres-Kilometerleistung ist dennoch hoch. Wenn Verbote künftig Diesel-Kleinwagen in die Zwangspause schicken, bleiben Erdgas-Fahrer mobil.

Diese Vorteile haben einen Preis, und der lässt sich beim Polo TGI in Litern ausdrücken. Genau 100 sind es. Um dieses Volumen ist der Kofferraum des Fünftürers kleiner als der des reinen Benzin-Pendants, denn unter dem Boden des Gepäckabteils befinden sich die beiden Gas-Behälter. Es bleiben 251 bis 1025 Liter (bei umgelegter Rückbank) Ladevolumen, die Ladekante ist 69 Zentimeter hoch. Das Umlegen der Lehne führt zu einer ebenen, aber leicht ansteigenden Staufläche. Kurzbeinige Fahrer/innen können sie bis 1,50 Meter Tiefe nutzen.

VW Polo 1.0 TGI

Die Ladekapazität ist die einzige Abweichung von der Nutzbarkeit des Standardmodells, die Kunden hinnehmen müssen. Getankt wird ähnlich unkompliziert wie mit einem Benziner. Der Stutzen für das Füllventil liegt hinter der gleichen Klappe wie der Tankverschluss. Mit wenigen Handgriffen ist der Doppelschlauch angeschlossen und verriegelt, die komplette Befüllung erfolgt automatisch und die Zapfsäule gibt ein optisches Signal, wenn das Ventil wieder entfernt werden kann. Bei den gegenwärtig geltenden Preisen kostet ein voller Gastank etwa 14 Euro. Bei einem Realverbrauch von 4,4 Kg/100 km würde der Kilometer weniger als fünf Cent kosten. Ein Dieselauto, das 6 l/100km verbraucht, fährt zurzeit für etwa sieben Cent/Kilometer.

CNG-Autos der ersten Generation verfügten häufig über einen Schalter, mit dem der Fahrer den zu verwendenden Treibstoff selbst wählen konnte. Dies ist beim Polo TGI nicht der Fall. Der Wagen fährt grundsätzlich zunächst mit Erdgas. Ist dieser Vorrat verbraucht, schaltet die Elektronik automatisch auf Benzinbetrieb um.

VW Polo 1.0 TGI
VW Polo 1.0 TGI

Lobenswert ist die getrennte Reichweitenanzeige im Cockpit, so dass man auf jedem Kilometer Strecke eine Information bekommt, wie weit mit Erdgas und wie weit noch mit Benzin gefahren werden kann. Vom unbedingten Ausreizen der Angaben ist jedoch abzuraten, denn die errechneten Werte sind nicht immer an den Kilometersteinen am Straßenrand nachvollziehbar. Der vollgetankte TGI-Testwagen zum Beispiel machte sich mit einer angegebenen Gas-Reichweite von 230 km auf eine rund 90 Kilometer lange Route, um an deren Ende einen unveränderten Aktionsradius anzuzeigen.

Was Leistungsbereitschaft und -ausbeute angeht, braucht der Kombi-Motor keinen Vergleich zu scheuen. Mit 66 kW/90 PS leistet er ebenso viel wie der 0,9 Liter-Dreizylinder aus dem Hause Renault/Nissan, übertrifft diesen aber mit seinem Drehmoment. 160 Newtonmeter werden freigesetzt, was sehr ordentlich ist. Übertragen wird die Motorkraft bei Polo von einem Fünfgang-Getriebe. Mit einem sechsten Gang wäre der TGI nicht nur etwas teurer, sondern auch leiser bei hohen Geschwindigkeiten.

Dass keine Chance zum Sparen ausgelassen wird, zeigt der Erdgas-Polo an den Hinterrädern. Dort sind Trommelbremsen montiert, was bei einem High-Tech-Produkt des Jahres 2018 etwas irritierend wirkt. Dass sie eine ausreichende Verzögerung gewährleisten, braucht jedoch nicht in Zweifel gezogen zu werden, denn auch bei maximaler Beladung wiegt der Polo TGI nicht mehr als 1.670 Kilogramm.

VW Polo 1.0 TGI

Bedien- und Federungskomfort sind auf hohem Niveau, Handlichkeit und Übersichtlichkeit lassen nichts zu wünschen übrig. Handelsübliche Komfort- und Assistenzsysteme sind unabhängig von der Motorisierung bestellbar. So verfügte der Testwagen über eine adaptive Temporegelung, ein automatisches Einparksystem und LED-Scheinwerfer.

Um etwaige Begeisterung für ein Erdgas-Auto zu dämpfen, bliebe noch folgendes Argument: „Aber das ist doch auch ein fossiler Energieträger und der ist irgendwann alle!“ Für den Treibstoff der aus dem Boden kommt, stimmt das tatsächlich. Doch das hauptsächlich aus Methan bestehende Erdgas ist auch synthetisch zu gewinnen – aus Strom, Wasserstoff und Kohlendioxid. Versuchsanlagen im industriellen Maßstab für das so genannte E-Gas gibt es bereits.

Fazit: Erstmal klein anfangen. Ob schwere Reiselimousinen einst mit Erdgas fahren werden, steht dahin. Doch bei Klein- und Kompaktwagen sowie leichten Nutzfahrzeugen etwa für Auslieferungen in Städten schreibt diese Antriebsvariante eine zeitgemäße Öko-Bilanz, die einen Verzicht auf den Diesel erleichtern kann. Wer mit etwas weniger Kofferraum auskommt und damit leben kann, dass nicht an jeder Straßenecke eine Tankstelle ist, wird sich schnell mit einem Auto wie dem Polo TGI anfreunden können.

afb/amp

Schlagwörter: , ,