Wissenschaftler – Sofort Klimamaßnahmen der Politik!

175 namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fordern von der Politik sofort Klimamaßnahmen. Und zwar in einem offenen Brief an das EU-Parlament und den EU-Rat. Denn die Elektromobilität führe im Zeitraum – laut Prognose der WissenschaftlerInnen – bis 2030 noch zu keiner nennenswerten Treibhausgasminderung. Man fordert eine offene Diskussion mit dem Hinweise auf Technologien, die sofort Einfluss auf das Klima nehmen können. Und die gleichzeitig die Abhängigkeit von Öl- oder Gasimporten verringern.

Mahle GmbH: Testanlagen für Wasserstoffnutzung in Brennstoffzelle und Verbrennungsmotor.

Klimaschutz braucht Innovation. Dafür stehen die Wissenschaftler aus unterschiedlichsten Bereichen: „Innovationen gedeihen nur auf dem Boden der Technologieoffenheit. Die vermissen wir bei den geplanten Änderungen der gesetzlichen Regelungen zum Klimaschutz im Verkehr“, betonen die beiden Initiatoren. Das sind Prof. Dr.-Ing. Thomas Willner von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg, und Dr. Armin Günther von der Air Liquide Global E&C Solutions Deutschland GmbH in Frankfurt am Main.

Maßnahmen müssen sofort greifen

Angesichts des enormen, immer größer werdenden Zeitdrucks könne man sich Versäumnisse und Fehler beim Klimaschutz nicht mehr leisten. So heißt es in dem offenen Brief. Klimaschutzmaßnahmen müssten unmittelbar nach ihrer Umsetzung greifen. „Wir wollen daher eine breite Diskussion zu diesem Thema auf wissenschaftlicher Basis anregen. Und wir fordern eine transparente und technologieneutrale Klimaschutzpolitik. Eine, die sich an realen physischen Treibhausgasminderungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette orientiert“, so Prof. Willner.

Wasserstoffzug von Alstom.

Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass die derzeitigen Regelungen eine einseitige Förderung der Elektromobilität darstellen. Aber die sei in dieser Form physikalisch nicht zu rechtfertigen. So werden beispielsweise in der CO2-Flottenverordnung die Elektromobilität mit null CO2-Emissionen angerechnet. Während erneuerbare und andere alternative Kraftstoffe keinerlei Berücksichtigung fänden. „Das verhindert einen fairen Wettbewerb um die besten Problemlösungen. Da die tatsächlichen Treibhausgasminderungen unberücksichtigt bleiben. Das Klima reagiert nur auf reale physikalische Treibhausgasmengen. Und nicht auf von der Politik willkürlich festgelegte Faktoren für die Anrechnung von Maßnahmen,“ betont Prof. Willner.

Wasserstoff-Einsatz bei Toyota.

Aufgrund vorliegender Studien kommen die Wissenschaftler zu folgendem Schluss: Die E-Mobilität führt in dem entscheidenden Zeitraum bis 2030 aller Voraussicht nach zu keiner nennenswerten Treibhausgasminderung. Zu berücksichtigen seien besonders die hohen CO2-Emissionen durch die Batteriefertigung. Weiters der noch lange bestehende hohe Anteil fossiler Energieträger an der Stromerzeugung. Und der enorme Aufwand für die Ladeinfrastruktur. Zudem binde die Elektromobilität erneuerbare Potenziale des Stromsektors im Verkehrsbereich. Die fehlen dann an anderer Stelle, etwa in der Industrie. Einige Gründe also für die Forderungen der Wissenschaftler nach sofortigen Klimamaßnahmen durch die Politik.

Von Toyota auf Wasserstoffbetrieb umgerüsteter Truck mit Brennstoffzelle.

Alternative Kraftstoffe effektiver

Die Forschungsgruppe um Prof. Willner sieht andere Lösungen. Wie nachhaltige, treibhausgaseinsparende alternative Kraftstoffe (flüssig, gasförmig, inklusive erneuerbarem Wasserstoff, Methan etc.). „Die sind unserer Meinung nach weitaus effektiver. Weil sie bei der bestehenden Flotte von mehr als 260 Millionen Fahrzeugen in der EU sofort zu echten Treibhausgasreduzierungen führen würden. Ohne dass eine neue Infrastruktur erforderlich wäre.“

Die Gesetzgebung müsse dringend gleiche Wettbewerbsbedingungen für diese Optionen schaffen. Dazu gehöre parallel eine ambitionierte Zielsetzung für den Ausbau der Wasserstoff-Tankstelleninfrastruktur entlang der Hauptverkehrsadern. Wie sie beispielsweise derzeit die EU diskutiert. „Der Schlüssel zur Dekarbonisierung des Mobilitäts- und Industriesektors und zur Unterstützung der Energiesicherheit ist die Diversifizierung verschiedener erneuerbarer Pfade. Und die Weiterentwicklung neuer und die Optimierung bestehender Technologiepfade“, so Mitinitiator Dr. Armin Günther.

Prinzip der Herstellung von e-Fuels.

Was sind alternative Kraftstoffe?

Dazu gehören nicht nur die derzeit auf dem Markt befindlichen Biokraftstoffe der ersten Generation. Sondern auch fortschrittliche Biokraftstoffe wie HVO/Care-Diesel. Und andere, hergestellt aus Abfällen und Reststoffen aus der Land- und Forstwirtschaft, der Holzindustrie, der Lebensmittelindustrie und ähnlichen Bereichen.

Dazu kommen Kraftstoffe auf der Basis von nicht-biogenen Abfällen wie Kunststoffen. Sowie strombasierte Kraftstoffe, so genannte PtX-Kraftstoffe (Power-to-X) bzw. e-Fuels, und hocheffiziente Hybride. Das sind Kraftstoffe, die sowohl auf Rest- oder Abfallstoffen als auch auf Strom basieren (etwa abfallbasierte e-Fuels).

Reine e-Fuels könnten sind zum Beispiel in Ländern mit einem Überschuss an erneuerbaren Energien herstellbar. Und können nach Europa importiert werden. Das benötigte Kohlendioxid könnte man aus verschiedenen Quellen, sogar direkt aus der Luft, abscheiden. Mit der Einführung solcher Kraftstoffe neben Wasserstoff hätte Europa auch die Chance, einen Beitrag zur Deckung seines hohen Energieimportbedarfs auf Basis erneuerbarer Energien zu leisten. Außerdem brächte das die für den Klimaschutz dringend notwendige internationale Zusammenarbeit voran. Denn Klimaschutz ist eine Aufgabe, die nur global zu lösen ist. Und wenn Wissenschaftler und Politik gemeinsam sofort Klimamaßnahmen auf den Weg bringen

amp/aum